An der Schillerschule sind mittlerweile mehr als 20 Schülerinnen und Schüler, die vor dem Krieg geflüchtet sind.
Wie sie dort integriert werden.
Als Maxim das rote Kuscheltier in seinen Händen hält, beginnt der Siebenjährige plötzlich zu weinen. „Oma“ sagt er, und dann etwas wie „Bomba“. Die anderen Kinder, die mit ihm im Kreis sitzen, werden still. Die beiden Lehrerinnen Hanna Ruseva und Susanne Kuhn wenden sich dem kleinen Jungen zu. Maxim ist Flüchtling aus Odessa und weint um seine Großmutter, die im Ukraine-Krieg bei einem Bombenangriff getötet wurde, wie Hanna Ruseva erklärt.
Die 29-jährige Lehrerin ist am 24. Februar aus Odessa mit Mann, Kind und Mutter geflüchtet. Nun unterrichtet Ruseva, die in der Ukraine schon Deutsch unterrichtet, in der Internationalen Vorbereitungsklasse (IVK) an der Schillerschule Aalen. „Wenn wir jemandem helfen können, dann fühlen wir uns besser“, erklärt sie. Eigentlich dauere der Krieg in der Ukraine schon acht Jahre lang. Aber man habe nichts dagegen getan.
Insgesamt elf Kinder sitzen mit Hanna Ruseva am Freitagmorgen im Kreis. Nicht nur Kinder, die den Schrecken des Ukraine-Krieges entkommen sind – auch Kinder, die aus anderen Ländern vor Krieg oder Armut geflüchtet sind. Bereits 24 Kinder aus der Ukraine werden an der Schillerschule unterrichtet. Nicht nur in der IVK, sondern auch in anderen Klassen. Während die Kinder dort mit der deutschen Schrift und ersten Worten wie Heft, Stift oder Buch zu Zuordnungen von vertraut gemacht werden – unter anderem weil die Jüngsten bisher nur die kyrillische Schrift kennen – nehmen die Älteren bereits am Regelunterricht teil. „Die Schülerinnen und Schüler werden je nach Lernstand auf die einzelnen Klassen verteilt“, erklärt dazu der stellvertretende Schulleiter Stefan Schill. „Es geht auch darum, die Talente zu erkennen und jeden einzubinden“, erklärt er. Einer der Schüler habe sich bereits als kleines Mathegenie, ein anderer als guter Gitarrist erwiesen – er werde nun auch mit in der Schulband spielen. Nach zwei, drei Wochen erfolge diese Einbindung sehr häufig schon. Hochbegabt oder mit besonderen Förderbedarf, das alles gebe es auch bei den Neuankömmlingen.
Verteilung an die Schulen
Immer wieder kehren die Neuankömmlinge auch in die IVK 2 zurück, die von Heike Gräfe und Julia Erdmann geleitet wird. „Das Englisch der ukrainischen Schülerinnen und Schüler ist sehr gut. Weil sie Englisch gelernt haben, können sie auch die lateinische Schrift “, sagt sie. Noch seien diese sehr ruhig und zurückhaltend. „Sie werden mit offenen Armen empfangen von den anderen, die ja aus ganz ähnlichen Situationen kommen.“
Nicht nur an der Schillerschule werden Kinder aus der Ukraine aufgenommen. „Sie werden an alle Schulen verteilt, möglichst wohnortnah“, erklärt Rektor Karl Frank. Frank ist auch Geschäftsführender Schulleiter der Aalener Schulen, koordiniert daher auch mit seinem Team die Verteilung. Die müsse immer im Einzelfall betrachtet werden – auch, weil es ja oft auch Geschwisterkinder gebe. Natürlich seien die Kapazitäten nicht unendlich. „Die Regelklassen sollen nach Möglichkeit nicht benachteiligt werden. Das ist aber im Moment noch nicht der Fall, der Regelbetrieb konnten bisher ohne Einschränkungen fortgeführt werden“, sagt Frank. Das Kollegium arbeite gerne mehr, sei engagiert und flexibel. Zudem habe man insgesamt drei ukrainische Lehrkräfte, zusätzliche pädagogische Lehrkräfte und Helfer mit eingebunden. „Wir habe viele externe Kräfte. Die müssen wir ja auch integrieren“, sagt Frank.
Ein stückweit Normalität
Kommen die Schülerinnen und Schüler an, werden sie auch mit Unterrichtsmaterial versorgt. Ranzen, Mäppchen, Hefte. Spenden wie jüngst 700 Euro vom Kinderschutzbund helfen, den Neuankömmlingen ein Stück Normalität zu vermitteln, etwa, indem man diese für einen Ausflug einsetze, so Karl Frank.
Normalität zu schaffen, dazu gehöre auch das Lernen der deutschen Sprache, so Hanna Ruseva. Die Kinder würden vor allem Russisch sprechen, nur etwa Prozent Ukrainisch. Die allermeisten seien begierig, möglichst schnell Deutsch zu lernen. Natürlich gebe es Ausnahmen. „Ein Junge hat gesagt: Er will gar kein Deutsch lernen.“ Motiviert wurde er dann durch die anderen. „Wie willst du Freunde finden, wenn du das nicht kannst“, hätten sie gefragt.
Motiviert werden die Kinder aber auch ganz spielerisch. So wie in der Morgenrunde mit den Kuscheltieren. Bekommen sie das Rote, geht es um schlechte Gefühle – so wie beim Maxim. Hält man das grüne Kuscheltier in der Hand, gehe es um gute Gefühle und Erlebnisse. „Wir sind in Sicherheit“, übersetzt Hanna Ruseva den Satz eines Mädchens. Ein anderes spricht über ein neues Handy. Alltägliches, um das es auch gehen solle. „Es müssen ja auch Kinder bleiben“, sagt Stefan Schill.
Schwäbische Post vom 5.4.2022 © Dagmar Oltersdorf